Langzeitbesuche für Sicherungsverwahrte in Hamburg Beschluss Landgericht Hamburg vom 14.05.2018 (607 Vollz 40/18)
- Christian Vinke
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Einen in Hamburg inhaftierten Sicherungsverwahrten wurde durch die Vollzugsbehörde Langzeitbesuch mit der Begründung einer fehlenden Mitarbeitsbereitschaft abgelehnt.
Aus den Gründen:
„Die Gewährung unüberwachter Langzeitbesuche für Sicherungsverwahrte ist in §26 Ab. 2 HmbSWollzG geregelt. Danach sollen Langzeitbesuche ermöglicht werden, wenn dies zur Förderung partnerschaftlicher Kontakte geboten erscheint und der Antragsteller hierfür geeignet erscheint. Ein Rechtsanspruch des Antragstellers auf Zulassung zu einem Langzeitbesuch besteht danach nicht, vielmehr steht die Entscheidung hierüber im Ermessen der Antragsgegnerin als Vollzugsbehörde.“
als sog. „Sollvorschrift“ schränkt §26 Abs. 2 HmbSWollzG das Ermessen der Antragsgegnerin jedoch stark ein und verpflichtet sie dazu, Langzeitbesuche in der Regel zu erlauben. Ein Abweichen von dieser Regel ist zwar möglich, jedoch als Ermessensentscheidung unter sachlicher Abwägung aller einschlägigen Gesichtspunkte des konkreten Einzelfalls zu begründen, wobei insbesondere der Art. 6 GG zum Ausdruck kommende Gedanke des Schutzes der Ehe und Familie zu beachten ist (vgl. zu allem u. a. Schwind in Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal/ StVollzG, 6. Aufl., 2013, § 24, Rdn. 16; HansOLG, Beschluss vom 09.04.2004, 3 Vollz (Ws) 47/04, ZfStrVo 2005, 55).
Nach diesem Maßstäben hält die Entscheidung der Antragsgegnerin einer gerichtlichen Überprüfung, die sich gem. § 115 Abs. 5 StVollzG alleine auf die Prüfung von Ermessensfehlern beschränkt, nicht stand.
Aus der überaus kurzen Begründung des ablehnenden Bescheids ist nicht ersichtlich, dass die Antragsgegnerin sich ihres eingeschränkten Ermessens bewusst war und dem gesetzlichen Regel-Ausnahme-Verhältnis mit ihrer Entscheidung Rechnung getragen hat. Bereits dies führt dazu, dass die Entscheidung rechtsfehlerhaft ist (vgl. HansOLG a. a.O).
Zudem stützt sich die Entscheidung mit dem einseitig herangezogenen einzigen Aspekt der fehlenden Mitarbeitsbereitschaft lediglich auf einen relevanten Aspekt, ohne weitere Ermessenserwägungen, wie etwa die Länge und Intensität der Beziehung zur Lebensgefährtin, bisheriges Besuchsverhalten, die Länge des Anreiseweges für Besuche, das allgemeine Vollzugsverhalten des Antragstellers oder auch sonstige Lockerungen, die ggf. zu berücksichtigen gewesen wären zu benennen und gegeneinander abzuwägen. Weder werden alle (erforderlichen) Aspekte der Ermessensentscheidung benannt, noch ergibt sich aus der Entzscheidung eine Gewichtung der bei der Gesamtabwägung berücksichtigten Umstände. Auch dies macht die Entscheidung fehlerhaft (vgl. HansOLG a. a.O).
Die Ermessensentscheidung ist – so sie denn überhaupt bewusst getroffen wurde – in der vorliegenden Form für die Kammer inhaltlich nicht nachvollziehbar und daher auch nicht dahin überprüfbar, ob sie dem Rechtsanspruch des Antragsstellers auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung genügt.
Im Ergebnis hält die Entscheidung der Antragsgegnerin somit den Anforderungen an eine hinreichende Ermessensausübung nicht stand und war daher aufzuheben.
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.
Die Entscheidung wurde freundlicherweise mitgeteilt von Herr RA Till-Alexander Hoppe, aus Kiel.
Hauptsache weggesperrt.
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