Bundessozialgericht, Urteil B 14 AS 48/17 R Reisekosten vom Jobcenter zum Besuch volljähriger Kinder

In einem wegweisenden Urteil entschied das Bundessozialgericht erstmalig, dass Reisekosten zum Besuch volljähriger Kinder in einer Sondersituation vom Jobcenter zu übernehmen sind. Auslöser war die Forderung einer Klägerin, die vom Jobcenter nähere Leistungen für Besuche ihrer zunächst in Ungarn inhaftierten Tochter beantragte. Der Antrag wurde vom beklagten Jobcenter abgelehnt. Die Klägerin blieb vor dem zuständigen Sozialgericht (S 20 AS 3257/10, 10.01.2014) sowie Landessozialgericht (L 3 AS 428/14, 17.11.2016) mit ihrem Begehren auf Zahlung von 2.570 Euro für monatliche Reisekosten zur Tochter im Zeitraum von Januar 2010 bis Januar 2011 erfolglos. Die Ablehnung wurde damit begründet, bei der geforderten Leistung handle es sich um keinen existenznotwendigen Bedarf, da die Tochter bereits volljährig war. Das Bundessozialgericht (BSG) äußerte hingegen, zwar sei der Auffassung des LSG dahingehend zuzustimmen, dass die bisherige Rechtsprechung zur Übernahme der Kosten des Umgangsrechts mit minderjährigen Kindern nach § 21 Abs. 6 SGB II nicht auf Besuche zwischen Eltern und volljährigen Kindern übertragen werden kann. Dennoch kann in einer Sondersituation aus dem Härtefallmehrbedarf ein Anspruch auf Übernahme der Aufwendungen für den Besuch eines nahen Angehörigen z.B. bei dessen Inhaftierung - unabhängig ob im In- oder Ausland - abgeleitet werden. Der Härtefallmehrbedarf dient der Realisierung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 iVm Art 20 Abs. 1 GG (BVerfG vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfG 125, 175 - 260). Nach dem erst jetzt bekannt gewordenen Urteil des BSG vom 28.11.2018 (B 14 AS 48/17 R) sind vom Jobcenter gemäß § 21 Abs. 6 SGB II zur Deckung von Reisekosten zum Besuch volljähriger Kinder in einer Sondersituation (hier: Verhängung von Untersuchungshaft in einem anderen Staat wegen des Vorwurfs der Beteiligung an einem Tötungsdelikt) engen Angehörigen zusätzliche existenzsichernde Leistungen zu bewilligen. Auf andere Weise nicht gedeckte, fort-laufend entstehende Aufwendungen zum Aufsuchen inhaftierter Verwandter könnten hier durchaus einen Härtefallmehrbedarf darstellen. Ein Jobcenter hat Abweichungen von dieser Regelung steht besonders zu begründen. Hierauf ist in der Praxis der Straffälligenhilfe zu achten.


Urteil : https://www.bsg.bund.de/Shared…1_28_B_14_AS_48_17_R.html

    Hauptsache weggesperrt.


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